August – „Die Kraft der Einsicht“
Die Römer benannten den Monat August nach ihrem ersten Kaiser Augustus. Bei den Germanen hieß er
„Erntemond“, was veranschaulicht, um was es in diesem Monat geht: das Getreide wird geschnitten,
verarbeitet, die Körner werden durch das Dreschen gelöst und die Spreu vom Weizen getrennt, um
letztlich zur weiteren Verarbeitung gelagert zu werden. Das setzt eine ausgefeilte Logistik
voraus. Der Landwirt muss das ganze Jahr überblicken und dabei vor allem die Winterzeit
bedenken, um Frucht und Ernte so einzuteilen, dass später kein Mangel herrscht. Wer also gut
wirtschaftet, lernt mit seinen irdischen Gütern bzw. den eigenen Kräften sorgfältig umzugehen,
der baut seine Mitte aus und kräftigt sich selbst.
Im Monat August geht es um das Überbrücken von Gegensätzen wie Fülle und Mangel. Wir haben stets
gute und schlechte Zeiten: „der kluge Mann baut vor“, wie der Volksmund sagt. Ein Teil der Fülle
wird im August abgezweigt, um dem Mangel im Winter vorzubeugen und in weiser Voraussicht wird
auch schon die Aussaat für das neue Jahr berücksichtigt.
Es leuchtet ein, dass die Muttergottheiten symbolisch für diesen Monat bzw. den beginnenden
Jahresabschnitt stehen. Die Mutter stellt die Stoffe bereit, um die physische, emotionale und
mentale Hülle eines jungen Lebens aufzubauen. Archetypisch gesehen birgt sie das tiefe Wissen um
die Absicht, den Sinn aller Form und Substanz in sich. Sie ist vorausschauend - planend, um für
das Wohl ihrer Familie zu sorgen.
Mit dem August ist die Hälfte des Sonnenjahres – symbolisch auch die erste Hälfte des Lebens –
unwiederbringlich vorüber. Es ist noch sehr heiß, vereinzelt erfrischen Gewitter die Luft und es
duftet durch die Hitze überall intensiv. Jetzt reifen die Beeren an den Sträuchern, worauf die
Vogelwelt schon wartet, denn sie bezieht daraus wichtige Vitamine und Energiereserven für den
Winter. Die Natur strahlt Ruhe aus. Es scheint, als ob die Luft still steht. Nur wenige Vögel
singen. Innerlich laufen allerdings viele Prozesse ab: die Pflanzen geben ihre wertvollsten
Mineralien in den Saft ein, damit sie der Frucht zugute kommen. Sie reichen das Beste an ihre
Nachkommen weiter und geben ihr Wertvollstes in den Kreislauf von Mutter Natur zurück.
Alles ist sehr trocken, die Bäche führen meist wenig Wasser. Wasser, das Element der Gefühle,
weicht der erdigen Trockenheit des „egoistischen Bewusstseins“. Dies bestimmt, was das restliche
Jahr noch Sinnvolles zu tun ist.
Mit dem Monat August ist das Symbol der Jungfrau verbunden, die auf den Äckern die Ähren
sammelt. Sinnbild für eine segensreiche Zukunft ist ein Ährenkranz zur Erntezeit. Erntegöttinnen
wie Ceres, Demeter, Vesta oder Freya wurden in dieser Zeit besonders gehuldigt. Waren Himmel und
Erde sowie Feuer und Wasser im Lot, verhieß das eine gute Ernte, Frieden und Wohlstand. Dies
wurde mit dem Erntedankfest feierlich in den bäuerlichen Kulturen begangen.
Die Germanen ordneten diese Zeit der Himmelsburg „Folkvangr“ zu: das Haus – die Himmelshalle –
der Göttin Freya. Alle Helden versammelten sich dort und sie wies ihnen ihren gebührenden Platz
zu. Der Körper wird hier von der Seele geschieden, um die Essenz des Lebens zu gewinnen, also
das unsterbliche Lebensprinzip. Freya nimmt die verbrauchte Körperhülle in ihre Obhut und die
dann gestaltlose körperlose Seele geht in das Reich Wotans. Hier geht es um die Ordnung der
Dinge im Leben und den ökonomischen Umgang mit den Naturkräften.
Das Zeichen des Löwen stand für die Kräfte und Potentiale, mit denen der Mensch nach außen
wirkt. Im Zeichen der Jungfrau geht es um die Einbindung des Funktionalen. Christus bemerkt in
einem Gleichnis, dass jede Kraft, jedes Getreidekorn „taub“ und unnütz ist, wenn es nicht zu
etwas dient. Mit seiner Potenz erfüllt es eine wichtige Funktion im Rahmen des Lebens. Wie im
Samenkorn kommen auch im Symbol der Jungfrau zwei unterschiedliche Wesenskräfte zum tragen: das
Formale und Ruhige sowie das potentiell Wilde, nach außen Drängende. Die zentrale Frage der
Jungfrau lautet: „wie ist die eigene Natur in Einklang zu bringen mit der vorgefundenen
Weltordnung?“ Zwei Seelenanteile sprechen sich in uns Menschen aus: das höhere ICH, das
unvergänglich ist und sich frei bewegen und entfalten möchte, sowie das weltliche Ich, das an
den Lauf der Welt und deren Gesetzmäßigkeiten gebunden ist.
Dieses Naturgesetz finden wir auch im Kontrast der Urformen menschlicher Gemeinschaften. Zum
Einen der sesshafte Bauer, der Gleichmaß, Ruhe und Frieden für seine Entfaltung braucht. Der
Gleichlauf des Tagewerks, der Jahre und der Jahreszeiten wird an ihm gemessen. Sein
Wirkungsradius erstreckt sich soweit wie seine Arbeitskraft es erlaubt. Zum Andern der Nomade,
der nur dort rastet wo er genügend Nahrung findet. Diese Völker haben ein hohes
Aggressionspotential, weil sie sich ganz anders mit den Naturgewalten auseinandersetzten müssen.
Wir alle tragen zwei Seelenanteile in unserer Brust, die im Zeichen der Jungfrau besonders
hervortreten. Die Jungfrau steht für Reife, Toleranz, Liebe und Hingabe. Für jeden von uns ist
es wichtig zu ehren, was wir Tag für Tag säen und die zwei Seelen in unserer Brust als
Impulsgeber für unsere Lebenserfahrungen zu vereinen.
August
Das war des Sommers schönster Tag
Nun klingt er vor dem stillen Haus
In Duft und süßem Vogelschlag
Unwiederbringlich leise aus.
In dieser Stunde goldner Born
Gießt schwelgerisch in roter Pracht
Der Sommer aus sein volles Horn
Und feiert seine letzte Nacht.
Hermann Hesse